4 Farbfotografien aus einer fortlaufenden Serien „Rost“ 50×100 bzw. 70×100 cm
„Unter dem Pflaster, ja da liegt der Strand, komm reiß auch du ein paar Steine aus dem Sand“, heißt es in einem Lied von Angi Domdey von der Gruppe “Schneewittchen”. Für mich eine Aufforderung, zumindest den Blickwinkel auf die Welt wie sie ist (oder aber nicht ist) zu verändern. Ähnlich geht es mir mit dem Lack: Unter dem Lack, ja da wartet der Rost. Und Rost ist in der gelackten Antirostwelt immer eine Provokation. Die fotografisch gesammelten Rost- und Lackspuren zeugen von Verfall und Vergänglichkeit: Zumindest auf der Oberfläche. Doch genau diese blättert ja ab, rostet, verändert sich. Diese Veränderung öffnet bei näherer Betrachtung Zugänge zu einer eigenen Ästhetik. Zum Vorschein kommt die verdrängte Seite der blitzblanken Konsumwelt, die sich im Glauben im selbst proklamierten Glauben an eine schöne heile Welt spiegelt: „Wer ist die Schönste im ganzen Land“, lautet die kritische Spiegelformel. Der verdrängte Rost, der bröckelnde Lack, das scheinbar Hässliche hält der Welt des schönen Scheins den Spiegel vor.
Faktisch hat der Rost inzwischen in Nischen erstaunliche Akzeptanz gefunden: als Edelrost. Als Kortenstahlblech, ein wetterfester Baustahl, darf Rost sogar Fassaden schmücken. Die Rostästhetik mit der Anmutung eines beginnenden Verfalls von Metall darf sein, weil Rost uminterpretiert werden kann: Schutzrost, eine Form der Rostökologie. Gezähmte Provokation!
Aber wehe, wenn der Edelrost mit seiner paradoxen Anmutung zum Schmuddelrost wird, zum schlichten Rost. Dann ist die Rostbegeisterung schnell am Ende und der Ruf nach Rostentfernung wird laut. Rost greift an, entwertet was wertvoll war und sicher schien.
Am Ende bleibt offen, ob vor Rost eindringlich gewarnt werden muss frei nach dem Sprichwort „Wer rastet, der rostet“, oder ganz im Gegenteil die Wiederentdeckung des Rostes den lackierten Oberflächen lebendige Tiefendimensionen zugesteht.
Rost-Fotografie lenkt den Blick auf eine Welt, über die im Alltag gerne hinweggeschaut wird. Die negativen Konnotationen des Rost lösen sich durch die „antiästhetische“ Sicht der Rost-Fotografie auf. Sofern sie nicht auf reine Ästhetik verkürzt wird, wohnt ihr damit eine integrative Kraft inne, die symbolkräftig den Blick für gesellschaftliche Veränderungsprozesse öffnen kann und den schwarzen Fleck einer einseitigen Ästhetischen zumindest anrührt.