Jan 212014
 

i_W_5_klVon der amerikanischen Dichterin Emily Dickinson (1830-1886) stammt das Gedicht „This World ist not Conclusion“. Es fasziniert mich, weil die Dichterin darin unerschütterlich die Überzeugung vertritt, dass es mehr geben muss als nur diese Welt: etwas Absolutes, das auch über das hinausgeht, was die Philossophie zu begreifen sucht, eine „invisible, as Music -/But positive, as Sound – möglicherweise ein Leben nach dem Tod. Letztlich ein Rätsel.

Diese Haltung, von Dickinson ahnend und zweifelnd zugleich vorgetragen, war mir hilfreich, um mit weitem Blick neugierig alte Stationenwege selbst erfahren zu können. Sie eröffnete mir sinnenhaft Bezüge zu einer Form der Frömmigkeit, die sich vielen Betrachtern nicht mehr oder bestenfalls auf den zweiten Blick erschließt. Mein Fotobuch „This World is not Conclusion“. A Personal Pilgrimage ist der Versuch, Atmosphäre und Tiefendimensionen eines Stationenweg nachzuspüren. Es zeichnet fotografisch meinen Gang auf dem Kreuz- und Stationenweg zum Zeiler Käppele auf, den ich von 6 Uhr 40 bis 8 Uhr 22 am 24.Mai 2009 unternommen habe.

Anfangs faszinierte mich vor allem die enge Verbindung von Kultur und Natur, die dieses Stationenweg durch den Wald auszeichnet. Erst nach meiner „persönlichen Wallfahrt“ habe ich das Gedicht von Emily Dickinson wieder entdeckt. Es schien mir geeignet, um die über die traditionellen Sehgewohnheiten hinaus einen Kreuzweg erfahrbar zu machen. Während die Leidensgeschichte Christi als objektive  Bezugsgröße die Aussage eines Kreuzweg vereindeutigt, erlebte ich gleichsam mit Dickinson im Handgepäck einen persönlichen, subjektiven Bezug jenseits der Tradition.

Der Kreuzweg wird zum Rätsel, das dazu ermutigt, genau hinzusehen, die Stationen des Kreuzwegs unvoreingenommen zu erfahren. Zum einen die bildhauerische Umsetzung, teilweise schlicht und naiv, dann wieder elaboriert und mit einem eigenen Ausdruck. Zum anderen auch die Einbettung eines solchen Kreuzwegs in die Natur, die aus heutiger Sicht nicht mehr nur Staffage ist. Schließlich das Erleben von Verwitterungsprozessen, denen die Stationen aus Stein ausgesetzt sind: die Natur nimmt wieder Besitz von den Denkmälern, den kulturellen Zeitzeugen. Und darüber hinaus der Verweis auf das, was die unmittelbare Wahrnehmung überschreiten und steigern kann: die Wiederentdeckung  der Transzendenz als Möglichkeit tieferer Welterkenntnis.

Seitdem setze ich mich mit dem Thema Kreuz- und Stationenwege auseinander. Bin immer wieder auf diesen Frömmigkeitswegen unterwegs. Aufmerksam. Achtsam. Neugierig. Mit einem Gespür für das Numinose. Auf dem Foto ein Ausschnitt des Kreuzwegs in Hammelburg, Fotos von Zeil demnächst.

Mehr zu Emily Dickinson unter http://www.planetlyrik.de/emily-dickinson-biene-und-klee/2010/03/

Mai 202013
 

Heilig: Chiffren aus Rinde

3 SW-Fotografien aus der Serie „Baumchiffren“ kontrastiert durch 2 SW-Fotographien aus der mehrteiligen Serie „Stationenweg“.

Die Schwarzweiß-Fotografie abstrahiert, rückt Rindenstruktur und Bildhauerei in die Nähe, macht zugrundeliegende Strukturen und Chiffren sichtbar. Rinde verwandelt sich in Kunst, und die Formensprache der Kunst offenbart bei näherer Betrachtung große Nähe zur Natur. Es hat den Anschein, als gäbe es einen gemeinsamen Nenner, so etwas wie eine unterschwellige gemeinsame (Bild-)Sprache. Schwarzweiß-Fotografie ermöglicht diese Perspektive: die Objekte lösen sich auf, verlassen ihren Kontext, verändern ihre Gestalt je nach Sichtweise und Blickwinkel.

Wahrnehmung von Fotografien kann über sich hinausgehen, zur Bildmeditation werden. Ob man so weit gehen will, in den gezeigten Bildern „Heiliges“ zu erspüren, sei jedem selbst überlassen. Der Titel „Heilig“ jedenfalls versteht sich als Impuls, diesen Schritt zu wagen. Die Zusammenschau von Baumchiffren und Ausschnitten eines Stationenwegs verwandelt Fotografie gleichsam in eine neue Form der Hagiographie (griech. hagion „heilig“ und  graphein ritzen, schreiben, zeichnen“):

„Die Mitte jeder hagiographischen Erzählung ist die Begegnung eines Menschen mit Gott. Hagiographien haben in allen didaktischen Prozessen eine herausragende Bedeutung, weil hier von glaubwürdigen Gotteserfahrungen im biographischen Kontext anschaulich und erfahrungsbezogen gesprochen wird. Hagiographisches Erzählen richtet den Blick auf religiöse Schlüsselerfahrungen und führt daher immer zu letzten Fragen der Wahrheit und Wahrhaftigkeit.“ (Siehe: Anregungen für eine Pädagogik des Heiligen, in Uwe Wolff , Walter Nigg und sein Weg zur Hagiographie, Freiburg/Schweiz 2007, S. 364ff.)

 

 20. Mai 2013  No Responses »
Mai 192013
 

4teilige Konzept-Arbeit – Teil der konzeptionellen Arbeit „Platzhalter“,

Unter dem Titel „Kunstwerk [Platzhalter]“ hängt seit 2011 in der Evangelischen Akademie in Bad Herrenalb eine Serie von 10 großformatigen Fotoarbeiten (120×80 cm). Sie versteht sich, wie der Titel andeutet, nur als Platzhalter. Bis zur Umset­zung eines künstlerischen Gesamtkonzeptes für die Akademie definiert die Serie den Raum für Ausstellungen stellvertretend für zukünftige Ausstellungen und als Konzept vor dem Konzept. Ausgangspunkt für die Serie waren dokumentarische Fotografien von Raumsituationen in der Tagungsstätte.

Indem Platzhalter Platz beanspruchen und Raum einnehmen, verliert sich der Aspekt der Vorläufigkeit. Die im Haus der Begegnung gezeigte [Platzhalter]-Serie ist eine überarbeitete Fassung einer konzeptuellen Arbeit, die im Kontext der [Platzhalter]-Serie in Bad Herrenalb entstanden Ist. Sie ist diesmal kein Platzhalter für andere Arbeiten, sondern steht für den Diskurs über Bild und Wort als protestantische Kommunikationsmedien. 500 Jahre nach der Reformation will sie dazu beizutragen, die immer noch spürbare protestantische Bildferne und Bilderkritik zu überwinden. Dass sich die Serie dabei des Wortes bedient, ist kein Zufall: die Nähe des Wortes zum Bild soll ebenso deutlich werden wie  die Nähe des Bildes zum Wort.

Die Serie wurde darüber hinaus als fortlaufende Slideshow umgesetzt.

 19. Mai 2013  No Responses »