Jan 062021
 

Ein kurzes Winter-Intermezzo verwandelte die Stämme am Wegrand: Aus einfachen Stämmen wurden gewissermaßen Schneestämme. Mit dem Schnee wurden sie schlanker, ja fast halbiert.

Zugleich trat jeder der einzelne Stamm wieder deutlicher hervor und erzählte noch einmal für einen kleinen Moment seine Geschichte: Die Geschichte vom Baum mit Ästen und Zweigen und Wurzeln und Blättern … bevor er gefällt wurde.

In meinem inneren Bild vom Wald gehören gefällte Bäume dazu. Schon als Kind bin ich auf den Stämmen balanciert, was deutlich leichter war, als einen Baumstamm hochzuklettern. Doch stimmt dieses Bild vom Wald? Ist es nicht eher eine reduzierte Vorstellung vom Wald als Nutzwald?

Tote Bäume

Vermutlich stirbt die Mehrzahl der Bäume in Deutschland keines natürlichen Todes. Sondern fällt der Motorsäge zum Opfer … spricht: wird gefällt. Oder wenn man so will: er wird geerntet. Und wartet dann als sogeannte Holzpolter auf den Abtransport.

Es gibt auch andere Wälder in Deutschland. Die sind aber selten und werden dann oft als Nationalpark bezeichnet. Lesenswert ist dazu der in „Der Freitag“ veröffentlichte Beitrag „Die Kunst leben zu lassen“ des Literatur- und Kulturwissenschaftlers Bernhard Malkmus. Er schreibt dort u.a. über die Wiederentdeckung der Waldwelt in Zeiten von Corona, über die „Macht der toten Bäume“ und insbesondere über Naturschutz, Ökologie und den Nationalpark Bayerischer Wald.

Ausgeräumte Landschaften

Darin beschreibt er auch unsere Neigung zu (Flur-)Bereinigung und den irrwitzigen Flächenverbrauch in Deutschland. Aber auch über Leben, Tod und Sterben:

„Alle 18 Monate wird in der Republik eine Fläche von der Größe des Nationalparks Bayerischer Wald versiegelt. Und dann ist da noch der deutsche Zwang, Landschaften „aufzuräumen“. So werden die von der Flurbereinigung übrig gelassenen Hecken von den Kommunen regelmäßig einer sogenannten Böschungshygiene unterworfen. In den tief auf Stock geschnittenen Randstreifen wird dabei alles Leben ausgemerzt: Schlangen werden zerhäckselt, Erdkröten zermalmt, Nistmöglichkeiten für Insekten weggeputzt. Welche Psychologie liegt hinter dem Ausräumen unserer Landschaften? Rotten wir das Leben um uns aus, weil uns seine Lebendigkeit an unsere Sterblichkeit erinnert? Ist dies unsere Art, den Tod zu verleugnen? Merken wir nicht, dass die total anthropomorphisierten Landschaften, die wir unseren Kindern hinterlassen, ein Mausoleum sind?“

Oh weh … Ich befürchte, ich sollte mir diesen Blickwinkel mehr zu eigen machen. Auch wenn er Illusionen zerstört. So sind die Baumstämme, die ich am Wegrand sah, eben Teil dieser allgegenwärtigen anthropomorphen Landschaft. Einer weitgehend auf Verwertung und Nützlichkeit hin optimierte Landschaft. Die ich weniger aus dem Blickwinkel der Ökologie als der Ästhetik wahrgenommen habe.

„Böschungshygiene“ – dieses Wort geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Sicherlich gibt es auch eine Baumstammhyfiene. Aber womöglich dürfen die Stämme liegen bleiben, als künstliches Totholz quasi. So hoffe ich mal. Zuflucht für Tiere, die die Feuchtigkeit und lieben …

Ich habe mir vorgenommen, die Baumstämme im Auge zu behalten.

 6. Januar 2021  No Responses »
Apr 172020
 

Einst hatte ich vor, hier regelmäßig Worte und Bilder zu posten. Zu zeigen, was ist. Und was nicht. Dann aber überfiel mich eine Art digitaler Müdigkeit. Bleiern. Vielleicht auch eine unendliche Langeweile, die mich angesichts der digitalen Plüschkultur erfasste.

Und gleichzeitig verspürte ich einen große Hang zum analogen Sein. Ganz Corpus zu sein, leiblich zu sein, zu tun und zu handeln, nicht erst etwas verkörpern zu müssen. Verbunden mit einen Hang, einer Sehnsucht nach der Natur. Rousseau hätte sich sicherlich gefreut darüber und die Fische in Thoureaus Walden Pont würden Freundensprünge machen.

In Zeiten der Aussperrung wird mir indessen die Nützlichkeit der sekundären Digitalwelten deutlich. Fast hat es den Anschein, als wäre das Digitale der Rettungsschirm, der uns vor dem Absturz in den Orkus rettet. Tatsächlich frage ich mich, ob die Begeisterung für digitale Menschheitsszenarien in Zeiten von Corona am Ende auch wieder nur das inhumane Lärmen und Rauschen im Weltall verstärken wird.

Die Hoffnung, die Digitalisierung sei die passende Antwort auf die Probleme unserer Zeit, entspringt möglicherweise auch wieder nur jenem Höher-schneller-weiter, das uns in Fleisch und Blut übergegangen ist.

Dennoch: ab und an will ich hier wieder auf dem Posten sein und etwas posten. Nicht als Antwort auf meine eigenen Fragen, sondern Im Sinne eines Fragekatalogs, gelegentlich auch mit einem Lächeln.

 17. April 2020  No Responses »
Jun 142015
 

Ein faszierende Welt für sich: die Zaunrübe (Bryonia alba) und die Wildbiene des Jahres 2015: die Zaunrüben-Sandbiene (Adrena florea) – eine absoute Spezialistin in Sachen Nahrung. Nektar und Blütenpollen werden ausschließlich an Zaunrüben gesucht. (http://www.deutschland-summt.de/wildbiene-des-jahres.html)

Einst wurde die Zaunrübe auch als Zauberpflanze gehandelt: „Plinius empfahl die Zaunrübe zur Umpflanzung des Grundstücks gegen Habichte … Im Mittelalter wurde die Wurzel der Zaunrübe häufig als Fälschung der Alraunenwurzel zurechtgeschnitzt und verkauft. “ (http://heilkraeuter.de/lexikon/zaunruebe.htm)

 

 14. Juni 2015  No Responses »
Feb 142015
 

Ein besonderer Baum

Auserwählt

Ein Baum, der anders ist als die anderen. Ein besonderer Baum. Er fällt auf inmitten all der anderen Bäume, die einfach in den Himmel wachsen. Dieser Baum ist außergewöhnlich. Eine Rindenkrone ziert ihn. Der König der Bäume. Baumexperten sprechen von Baumkrebs. Eine Pilzkrankheit. Infektion durch Risse und Wunden in der Rinde. Die Besonderheit wird zum Makel. Aus dem Blickwinkel der Nützlichkeit wird angepasstes Verhalten erwartet. Bäume sollen gerade in den Himmel wachsen. Sich nicht auszeichnen durch Besonderheit, Andersartigkeit. Auf dem Foto stehen alle anderen Bäume um diesen Baum herum, um den eigenrtigen Baum im Mittelpunkt. Der auserwählte Baum. Erwählt, ausersehen, eine andere Rolle einzunehmen. Auserwählt und zugleich abgesondert. Die jüdisch-christliche Tradition klingt leise an.