Jan 272015
 
Streitbar

Streitbar

Zwei Buben raufen miteinander. Freunde? Brüder? Die Schneeballschlacht hat harmlos angefangen und ist dann aus dem Ruder gelaufen. Streit mitten im Winter. Öffentlich. Im Eifer des Gefechtes bemerken die beiden nicht, dass sie nackt sind. Haben sie sich die Kleider vom Leib gerissen? Es ist richtig kalt. Ein Schneeball im Auge des einen Buben. Der andere wehrt sich. Aug um Aug. Das tut richtig weh. Die beiden raufen schon lange, wohl eine halbe Ewigkeit. Sie wirken wie versteinert, als könnten sie sich aus ihrer Lage nicht befreien. Flechten wachsen auf ihrer Haut. Vielleicht sind sie schon längst erfroren. Oder verharren sie nur für den fotografischen Augenblick?

Erst im Nachhinein kommt mir der Gedanke, dass die beiden womöglich schon immer miteinander raufen. Und dass es gar nicht um Streit geht. Eher um ein Kräftemessen. Für alle Ewigkeit. Sommer wie Winter. Dann hält sich das Mitleid in Grenzen.

Mai 192013
 

„Wie in einem Spiegel“ – Waldspiegelungen

In der Serie „Wie in einem Spiegel“ wird der Spiegel auf Baumwelten gerichtet. Erspiegelt wird relativ naturnaher Buchenwald in meiner fränkischen Heimat. Die fotografischen Interventionen erspiegeln aber nicht nur Heimat als Ort, sondern auch das fotografische Ich, selbst dann, wenn der Fotograf nicht sichtbar ist. Die Fotoserie versucht mittels Inszenierung und Intervention den Blick sowohl nach außen als auch nach innen lenken. Die Raumwahrnehmung wird zur Selbstwahrnehmung, zur Sichtung von Innen- und Außenwelten.

Der Titel der Serie  bezieht sich auf den gleichnamigen Film Ingmar Bergmans, der erste Film einer Trilogie (gefolgt von den Filmen Licht im Winter und Das Schweigen). Ursprünglich wollte ich die Serie mit einem direkten Zitat aus dem  1. Korintherbrief überschreiben: „Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich Stückweise; dann aber werde ich erkennen, wie ich erkannt bin.“ Dann gefiel mir aber die Brechung durch den knappen Bergman-Titel besser.

Die Waldspiegelungen transzendieren Wahrnehmung. Letztlich verweisen sie nicht nur auf die Wahrnehmung der Welt und des Selbst, sondern auch auf die Wahrnehmung Gottes. Und mehr noch: was, wenn im Spiegel der Fotograf zu erkennen ist? Wer nimmt dann wen wahr? Wer schaut wen an?

Die Spiegel-Erkenntnis bleibt fragmentarisch, zeigt Teilaspekte von verdichteter Wirklichkeit. Die Waldspiegelungen sind damit ein Bekenntnis zur unvollendeten Fotografie, zur Fotografie als nie ganz abgeschlossenen Wahrnehmungsprozess.

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 19. Mai 2013  No Responses »