BILD feiert + VW dankt = Wiedervereinigung

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vw2015

Im Briefkasten fand ich die BILD. Sonderausgabe anlässlich von 25 Jahren Wiedervereinigung. BILD feiert. Mit dem Bergpark in Kassel-Wilhelmshöhe auf dem Titel. Ich finde den Bergpark schön, aber als Nicht-BILD-Leser befremdet es mich, wenn BILD in meinem Briefkasten landet. Die haben wohl zu viel Geld … Oder soll die im Verhältnis zu 2003 fast halbierte Auflagenzahl gepusht werden?

Treueschwur

Was mich aber richtig ärgert sind die VW-Anzeigen. VW dankt mir für 25 Jahre Treue. Gleich auf dem Titel. Das kommt mir doch verdächtig vor. Sollen wir VW auch danken für die manipulierten Abgaswerte? War VW auch treu?  5 Millionen Autos von VW werden zurückgerufen … da ist teutonische Treue gefragt. Immerhin sind die VW-Diesel-Abgaswerte besser als die eines Trabi. Aber dann auf einer ganzen Seite lautstark zu jubeln und ohne Scham zu schreiben „VW. Das Auto“ ist schon peinlich. Denn leider hat VW nicht die Vorreiterschaft übernommen, die der Konzern in Sachen umweltfreundliche Autos schon vor 25 Jahren hätte übernehmen können. Stattdessen der Versuch, zum weltweit größten Autokonzern zu werden.Gigantomanie …

Zwölf Marken aus sieben europäischen Ländern gehören zum Konzern. Die wenigsten davon nehmen eine Spitzenplatz in der hilfreichen VCD-Auto-Umweltliste ein. Die Liste gibt es immerhin schon seit 1989, ein Jahr vor der Wiedervereinigung. Spätestens damals hätte man umsteuern können und leichte umweltfreundliche Autos bauen können. Stattdessen findet man hübsche Produkte wie Bentley, Bugatti, Lamborghini und Porsche unter dem Dach von VW, die bislang vorallem als PS-Boliden und Benzinschleudern Furore machten. Und jetzt dieser unglaubliche Diesel-Skandal. Im Grunde ein deutscher Lobby-Skandal: trotz heftiger Kritik der Umweltverbände wurden in Deutschland Dieselmotoren seit Jahre gefördert und von Industrie und Politik für sauber erklärt. Da musste alles unternommen werden, damit nicht raus kommt, dass Dieselruß mehr als nur stinkt.

Soviel nur. Ich hätte all das ja nicht geschrieben, wenn mir nicht die kostenlose Sonderausgabe dieses „unabhängigen und parteilosen“ Blattes ins Haus geflattert wäre. Und wahrscheinlich hatten PR-Manager bereits vor dem Diesel-GAU die Anzeigen geschaltet … Pech gehabt.

Dekadenz

Aber BILD selber ist ja auch passiert, dass der in der Woche der Feierlichkeiten verstorbene Literaturkritiker Hellmuth Karasek (81) im Blatt weiterleben darf. Auf einer mit Veronica Ferres und Maria Furtwängler groß aufgemotzten Seite empfiehlt er quicklebendig 25 Bücher auf Deutsch. Darunter: Radetzky-Marsch von Joseph Roth, ein Roman, in dem sich – so liest man – die Dekadenz des Landes spiegelt … Tatsächlich, von Joseph Roth kann man nur lernen, auch wenn in seinem Fall Österreich, nicht Deutschland und die BILD gemeint war.

Nachklatsch

Fast zwei Monate später bin ich auf der Reise quer durch Deutschland. Vorbei am alten VW-Kraftwerk. Ein riesiges Plakat hängt neben dem VW-Logo: „Wir brauchen Transparenz, Offenheit, Energie und Mut. Vor allem aber brauchen wir: Euch.“ Das Plakat ist zerflettert. Offenbar hat es sich an die Mitarbeitenden gewandt. Top down? Oder endlich volle Mitbestimmung? Wir sind das Volk? Wir sind Volkswagen? Parolen helfen nicht weiter. Und Transparenz ist in dieser Situation nur ein Euphemismus. Notwendig ist entschlossenes Umdenken.  Vor allem aber Mut zur ganzen Wahrheit. Tanja Dückers  schrieb schon 2009 in ZEIT ONLINE über den Autowahn: „Die westlichen Industrienationen, die noch maßgeblich auf herkömmliche Technologien wie die der Automobilindustrie setzen, haben die Zukunft aus dem Blick verloren.“ Und die Zukunft ist angesichts von 7,3 Milliarden Menschen auf dem blauen Planet Erde sicher nicht das Elektroauto …

 

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