Missing Link – über den Main

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Fähre über den Main, Würzburg, am Steinbach, 1960

Das Foto ist eine Art „Missing Link“: Auf dem wiederentdeckten Foto aus der Sammlung meines Vaters ist die Mainfähre in Würzburg zwischen der Sanderau und dem Steinbachtal zu sehen. Entstanden um 1960 als Dia, jetzt eingescannt und in ein Schwarz-Weiß-Foto verwandelt. Es ist ein kleines Versatzstück der Erinnerung, an die Zeit der Kindheit, an meine Heimatstadt Würzburg und die 60er Jahre, aber auch ein realer „Link“ über den Fluss. Dort, wo heute ein Steg über den Main führt, war bis in die 70er Jahre die Überquerung des Flusses nur mit einer Personenfähre möglich.

Mich berührt das Foto, weil mir sofort der Geruch des Mains in den Sinn kommt, das Schaukeln des Kahns und das leichte Schaudern eines Kindes, das noch nicht schwimmen konnte. Gut, dass die Mutter dabei war, so ließen sich damals Gefahren bestehen. Bei der Überquerung des Flusses habe ich gerne eine Hand ins Wasser gehalten, in der Hoffnung, einen Fisch berühren zu können.

Auf dem Foto ist zu erkennen, dass der Fluss zwei Welten trennt, die aber irgendwie in Verbindung stehen. Auf der einen Seite ist das Ufer deutlich zu erkennen, das andere ist nur zu erahnen. Eine Brücke würde den Fluss leicht und irgendwie auch absolut überwinden. Fähren erzählen andere Geschichten: Fähren fahren nur, wenn es der Fluss erlaubt. Wenn die Strömung nicht zu stark ist oder der Fluss vereist ist. Etwas Vorläufiges spüre ich, auch eine gewisse Ehrfucht vor dem Fluss und seiner Welt. Womöglich auch vor der Unterwelt.

Wer wirklich auf der anderen Seite ankommen will, muss sich auf etwas einlassen. Auf eine kleine Reise. Nicht alle können mit, sondern müssen warten. Bis zur nächsten Überfahrt. Oder man muss doch den Umweg über die nächste Brücke nehmen. Die Fahrt mit der Fähre berührt tiefere Schichten: sie ist ein Übergangsritus, ein rites de passage.

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